STUTTGART. Die Hochschulen im Südwesten müssen in der kommenden Legislaturperiode in ihrer Rolle als Innovationstreiber und Transferpartner für die Wirtschaft gestärkt werden, fordern die Unternehmer Baden-Württemberg (UBW) und der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK). „Hochschulen sind als Transformationsgestalter von besonderer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg“, erklärten UBW-Präsident Dr. Rainer Dulger und BWIHK-Vizepräsident Christian O. Erbe am Freitag in Stuttgart.
„Die Corona-Krise führt zu einem deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung und trifft die Unternehmen im Südwesten in einer ohnehin schon sehr herausfordernden Phase der digitalen Transformation und technologischer Umbrüche“, sagten Dulger und Erbe. Der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg brauche deshalb dringend neue Wachstumsimpulse durch Innovationen. Hier komme den Hochschulen eine besondere Bedeutung zu.
Die UBW und der BWIHK benennen deshalb in einem gemeinsamen Forderungspapier fünf hochschulpolitische Handlungsfelder, die in den laufenden Koalitionsverhandlungen von Grünen und CDU vorrangig bearbeitet werden müssten. „Die Stärkung des Innovationsstandorts Baden-Württemberg braucht höchste Priorität bei der Verhandlung der politischen Rahmenbedingungen für die kommenden fünf Jahre“, betonten die beiden. Unternehmen aus China und Südkorea gewännen in digitalen Schlüsseltechnologien auf dem deutschen und dem europäischen Markt immer stärker an Boden. „Dies muss auch für die Politik in Baden-Württemberg ein Alarmsignal sein“, mahnten Dulger und Erbe.
„Innovationen entstehen oft im Grenzbereich und nicht im Mainstream“, erläuterte Erbe dazu. Die Hochschulen bräuchten daher dringend mehr Handlungsfreiheit und Flexibilität. So sollte auch das Berufungsverfahren als Teil der Strategie- und Schwerpunktsetzung der Hochschulen unbedingt beschleunigt und verschlankt werden. „Gleichzeitig muss der Abbau unnötiger Hochschul-Bürokratie endlich strukturiert angegangen werden“, forderte Dulger. Die bereits im Jahr 2017 angekündigte Task Force „Bürokratieabbau und Strategiefähigkeit“ für den Hochschulbereich müsse dabei über einzelne Arbeitsgruppen zu speziellen Fragstellungen hinaus als übergreifend empfehlende Gruppe eingerichtet werden.
Erbe verwies darauf, dass das Hochschulsystem in Studium und Lehre, forschungsbasiertem Technologietransfer, Gründungsgeschehen und Weiterbildung nur dann qualitativ hochwertig arbeiten könne, wenn es ausreichend finanziert sei. „Hochschulische Kernaufgaben müssen deshalb über eine verlässliche und auskömmliche Grundfinanzierung abgesichert sein“, unterstrich er. Durch ergänzende leistungsorientierte Mittelvergaben könnten wichtige Innovationsimpulse ausgelöst und hochschulische Schwerpunktbildungen gefördert werden. „Hierzu braucht es eine unvoreingenommene Diskussion entsprechender Modelle“, forderte Dulger.
„Generell müssen wissenschaftliche Erkenntnisse noch schneller in marktgängige Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle überführt werden“, betonte der UBW-Präsident. Die Hochschulen müssten ihr Transferpotenzial vor allem beim Mittelstand aktiver vermarkten. Eine Lösung wäre die Unterstützung hochschulartübergreifender Plattformen für Technologietransferanbahnungen.
Gleichzeitig müssten die Hochschulen noch stärker in Richtung Gründercampus entwickelt werden, sagte Erbe: „Innovation braucht Gründer- und Unternehmerpersönlichkeiten. Die Hochschulen müssen verstärkt Lust auf Unternehmertum machen und Studierende befähigen, den Schritt in die unternehmerische Selbstständigkeit zu gehen.“ Dulger machte deutlich: „Die Entwicklung von Gründerkultur muss als Kernaufgabe der Hochschulen verstanden und dauerhaft finanziert werden. Punktuelle und zeitlich befristete Programmfinanzierungen reichen hier nicht aus.“