Das sogenannte Process Mining, bei dem es um die Steuerung und Auswertung von Geschäftsprozessen auf Basis digitaler Informationen geht, findet zunehmend Anwendung in Branchen wie dem Online-Handel oder bei digitalen Plattformen. Im Bereich der Einzel- und Kleinserienfertigung ist es dahingegen unzureichend erforscht, in der Industrie kommt die effiziente Prozessmanagementmethode bislang kaum zum Einsatz. Das Problem: Es mangelt an Methoden, entsprechende Technologien einzuführen und Unternehmensstrukturen zu etablieren. Außerdem weisen die Prozesse nur selten große Datenmengen auf, die allerdings Voraussetzung für Process-Mining-Verfahren sind. Ein neues Verbundforschungsprojekt der Universität Paderborn, des SICP – Software Innovation Campus Paderborn sowie der Unternehmen Weidmüller Interface GmbH & Co KG, CONTACT Software und GEA Westfalia Separator soll diese Lücke jetzt schließen. Das Vorhaben wird im Rahmen des Spitzenclusters it’s OWL über eine Dauer von zwei Jahren mit rund 1,7 Millionen Euro vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWIDE) gefördert. Während GEA und Weidmüller Domänenwissen bereitstellen, steuert CONTACT Software als Anwendungspartner Wissen für die Methoden- und Werkzeugerstellung bei. Der Projektträger Jülich übernimmt die Betreuung des Projektes, Konsortialführer ist der SICP. Start war der 1. April.
Übergeordnetes Ziel ist die ganzheitliche Entwicklung, Implementierung und Evaluation von Verfahren des Process Mining zur Analyse und präskriptiven Steuerung industrieller Kernprozesse. „Durch den Einsatz von Process Mining können Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielen, da sie bisher unerkannte Ineffizienzen, Anomalien oder Workarounds in ihren Prozessen erkennen und darauf basierend geeignete Maßnahmen ableiten können“, erklärt Dr. Verena Wolf, Senior Project Manager im SICP.
Konzepte, Algorithmen und digitale Werkzeuge werden am Beispiel des Produktentstehungsprozesses bei Weidmüller und des Auftragsabwicklungsprozesses bei GEA mithilfe von CONTACT Software prototypisch implementiert und ausgewertet. „Durch die Entwicklung von neuen Methoden mittels Business Process Mining können wir in der Auftragsabwicklung eine hohe Qualität wahren und datenbasierte Anpassungen an unterschiedlichste Anforderungsspezifikationen vornehmen“, erklärt Andreas Westermann, Head of Business Process Optimization bei GEA Westfalia Separator. Rolf Stübbe, Strategie- und Managementconsultant bei CONTACT Software, ergänzt: „Business Process Mining bietet Unternehmen im industriellen Kontext ein sehr großes Potenzial, um Prozessdaten evidenzbasiert zu erheben, die Konformität mit Standardprozessen zu prüfen und Prozesse datenbasiert zu analysieren, zu steuern und zu verbessern.“ Auch Dr. Martin Dräxler, Head of PLM/MDM bei Weidmüller, bekräftigt: „Die Identifikation von Verbesserungspotentialen in unseren Idea-to-End-of-Life Prozessen mittels Business Process Mining stellt ein zukunftsweisendes Thema dar.“
Das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM, das an der Beschreibung von Transformationspfaden mitwirkt, ist ebenfalls am Projekt beteiligt. Darüber hinaus werden Reifegradmodelle zur Selbst-Einordnung von Unternehmen und Methoden zur Dateninventur und Formalisierung von Expertenwissen erarbeitet. Das Software Innovation Lab (SI-Lab) im SICP, vertreten durch die Lehrstühle von Prof. Dr. Daniel Beverungen und Prof. Dr. Oliver Müller, gestaltet Machine-Learning-Algorithmen für das Process Mining. Ebenso werden konkrete Prozessverbesserungen identifiziert und die Unternehmen darin unterstützt, langfristige Geschäftsprozessmanagement-Kompetenzen zur Prozessanalyse und -verbesserung zu entwickeln.
Das Projekt hat den Titel „Process Mining zur Analyse und Präskription industrieller Kernprozesse“ (BPM-I4.0) und läuft zunächst bis März 2023.