Stuttgart. Vor dem nächsten Bund-Länder-Gipfel am 10. August fasst Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK), die Erwartungen der Wirtschaft zusammen: „Nach vielen Monaten der wirtschaftlichen Einschränkungen und mit steigender Impfquote erwartet die Südwestwirtschaft zu Recht, dass das zukünftige Pandemiegeschehen endlich von einseitigen Bewertungsgrundlagen losgelöst wird. Es muss als Ergebnis eine dauerhaft-belastbare Geschäftsgrundlage für die Unternehmen im Land entstehen. Eine Basis, die weder den Wettbewerb verzerrt noch massive Ungerechtigkeiten hervorruft, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Gerade mit Blick auf die hohe Immunisierung in der Gesellschaft kann und darf es weitere Lockdowns oder ähnlich gravierende Einschränkungen, die Betriebe an den Rand des Ruins treiben können oder darüber hinaus, nicht mehr geben. Das wäre weder verhältnismäßig noch in irgendeiner Form seriös vermittelbar in der täglichen Kommunikation von IHKs und ihren Mitgliedern.“
Er ergänzt: „Gleichzeitig brauchen wir ein differenziertes Bewertungssystem, dass auf mehreren Indikatoren aufgebaut ist. Die Inzidenz als Grundlage für alle Maßnahmen ist überholt. Es müssen jetzt beispielsweise auch der Impffortschritt und die Hospitalisierungsrate berücksichtigt werden – entsprechende Vorschläge dazu gibt es zahlreiche. Gesundheitsminister Lucha hat bereits angekündigt, dass der Inzidenzwert als alleiniger Maßstab ab spätestens Mitte September in den Landesverordnungen keine wesentliche Rolle mehr spielen soll. Notfalls möchte das Land hierbei alleine vorangehen, das ist ausdrücklich zu begrüßen. Ich hoffe aber, dass es schon früher zu einem Kurswechsel kommt. Denn die Lockdown-Folgen werden unsere Wirtschaft noch länger beschäftigen, wie die ungesunde Zweiteilung des Konjunkturgeschehens unserer letzten Umfrage zeigt. Während die Industrie als Lokomotive die Wirtschaftslage nach vorne bringt, kämpfen viele Dienstleister, Handels-, HoGa- und Eventbetriebe weiter um Umsatz- und Geschäftschancen. Das muss jetzt ein Ende haben.“
Abschließend betont Grenke: „Wir brauchen aber nicht nur ein neues Instrumentarium für diese und mögliche folgende Pandemien. Vor allem sollten eine umfassende wissenschaftliche Begleitung und gründliche Aufarbeitung der wirtschaftlichen Coronafolgen durchgeführt werden. Der Aufwand ist aus Unternehmenssicht gerechtfertigt – denn dass wir nach anderthalb Jahren dieser Pandemie noch immer nicht die Haupt-Treiber des Infektionsgeschehens eindeutig benennen und die genauen Verbreitungswege des Virus hinreichend genau nachvollziehen können, ist ein großes Versäumnis. Das darf uns nicht noch einmal passieren. Hier muss auch europäisch angeknüpft werden, denn solche Herausforderungen löst kein Land auf unserem Kontinent für sich alleine.“